Unterwegs entdeckt – kurz erklärt
Die Kleinbahn im Kreis Herford
Wer heute durch das Ravensberger Hügelland wandert, kann noch Spuren einer besonderen Mobilität vergangener Zeiten entdecken – die Kleinbahn. Über Dörfer und Städte hinweg verband sie Menschen, Märkte und Betriebe und prägte über Jahrzehnte das Leben in der Region. Hinter den alten Trassen und Schienen steckt eine Geschichte von Technik, Handel und Alltagsmobilität, die bis heute in historischen Wagen und im Kleinbahnmuseum Enger lebendig bleibt.
kurz und knapp
Die Kleinbahn im Kreis Herford erzählt die Geschichte regionaler Mobilität im 20. Jahrhundert. Auf 40 km verband sie Städte und Dörfer, transportierte Menschen und Güter und entwickelte sich von der Dampflok- zur elektrischen Bahn. Historische Wagen wie der dunkelrote Personenwagen Nr. 31 und der grüne Wagen Nr. 8 machen die Technik, den Komfort und den Wandel der Kleinbahn auf anschauliche Weise erlebbar. Wer die Spuren der Kleinbahn erkundet, entdeckt die Verbindung von Alltag, Technik und Landschaft in der Region.
Mobilität einer vergangenen Zeit
Über viele Jahrzehnte prägte die Kleinbahn das Leben im Kreis Herford. Als sie 1889 gegründet wurde, war sie mehr als ein Verkehrsmittel: Sie verband Dörfer, brachte Menschen zur Arbeit, zum Markt oder zu Kuraufenthalten und transportierte Güter für Handwerk und Industrie. Auf einer Gesamtlänge von 40,8 Kilometern erschloss sie das Ravensberger Hügelland und vernetzte die umliegenden Gemeinden.
Ursprünglich war für die benachbarte Bielefelder Kreisbahn eine Spurweite von nur 600 mm vorgesehen. Doch da beide Systeme miteinander verbunden werden sollten, einigte man sich auf die einheitliche Spurweite von 1000 mm – eine Entscheidung, die die Zusammenarbeit und den Güterverkehr erheblich erleichterte.
Ab 1900 fuhren die ersten Züge zwischen Spenge, Enger, Herford, Bad Salzuflen und bis nach Vlotho – zunächst mit dampfbetriebenen Wagen, ab 1920 zunehmend elektrisch. Die Schmalspurbahn war gemütlich unterwegs: meist nur 25 km/h schnell, zwischen Herford und Enger immerhin 50 km/h. Dennoch bot sie einen regelmäßigen Taktverkehr, stündlich zwischen Spenge und Bad Salzuflen.
Auch Herausforderungen prägten die Geschichte: 1946 stürzte die Hansabrücke in Herford ein, sodass die Fahrgäste drei Jahre lang die Werre zu Fuß überqueren mussten, bevor die Fahrt weitergehen konnte.
In den 1960er-Jahren verlor die Kleinbahn aufgrund von zunehmender Konkurrenz durch Autos, Busse und LKWs jedoch an Bedeutung. Der Personen- und Güterverkehr nahm immer mehr ab, bis er 1966 komplett eingestellt wurde. Die Schienen wurden entfernt und es entstanden vielerorts Rad- und Fußwege auf den ehemaligen Trassen.
Heute erinnert das Kleinbahnmuseum Enger mit drei historischen Fahrzeugen – darunter der einzigartig erhaltene Personenwagen Nr. 31 – an diese Zeit. Sie zeigen, wie die Kleinbahn einst das tägliche Leben im Herforder Land bewegte und ein wichtiges Stück regionaler Mobilitätsgeschichte schrieb.
Personenwagen Nr. 31 – das mobile Denkmal
Der dunkelrote Wagen Nr. 31 ist heute das einzige bewegliche Denkmal im gesamten Kreis Herford. Gebaut wurde er 1927 für die Straßenbahn Minden, bevor er ab 1945 im Netz der Herforder Kleinbahn unterwegs war. Mit seinen 28 Sitz- und 48 Stehplätzen bot er damals vergleichsweise hohen Komfort – besonders im Vergleich zu älteren Kleinbahnwagen.
Seine Lebensreise führte ihn quer durch Norddeutschland: erst Straßenbahn in Minden, dann Kleinbahn in Herford, später sogar Inselbahn auf Sylt, wo er im Zugverband mit Puffern genutzt wurde. Nach mehreren Stilllegungen und Umwegen landete er schließlich wieder in seiner Heimatregion. Seit einer umfassenden Restaurierung im Jahr 2001 ist er im Kleinbahnmuseum Enger zu sehen. Dort zeigt er, wie elegant und robust Kleinbahnfahrzeuge der Zwischenkriegszeit gebaut wurden.
Personenwagen Nr. 8 – ein Fenster in die Dampflok-Ära
Der grüne Wagen Nr. 8 der Bielefelder Kreisbahn stammt aus der Zeit um 1902 – und ist damit ein besonders alter Wagen unter den Kleinbahnfahrzeugen. Ursprünglich fuhr er hinter dampfenden Lokomotiven durchs Ravensberger Land und war für seine offenen Einstiegsbereiche und das charakteristische Laternendach bekannt.
Seine Einrichtung erzählt heute eine ungewöhnliche Zeitreise: Der vordere Teil zeigt den Originalzustand von 1902, der Mittelteil entspricht einem modernisierten Stand der 1930er-Jahre, und der hintere Bereich stammt aus seiner Zeit auf Borkum als Inselbahn, wohin er nach der Stilllegung verkauft worden war.
So vereint Wagen Nr. 8 über 120 Jahre Verkehrsgeschichte in einem einzigen Fahrzeug – und macht sichtbar, wie sich Kleinbahnkomfort und Technik im Laufe der Jahrzehnte verändert haben.
Köf II Lokomotive
Die Köf II wurde 1946 gebaut und war bis 1966 im Herforder Kleinbahnhof im Rangierdienst im Einsatz. Sie verkehrte auf den 1435 mm breiten Gleisen der Staatsbahn und beförderte Güterwagen von dort zum Kleinbahnhof. Um ein aufwändiges Umladen der Fracht zu vermeiden, nutzte man sogenannte Rollböcke: Mit ihrer Hilfe konnten normalspurige Staatsbahnwagen direkt auf der schmaleren Kleinbahnstrecke transportiert werden – eine technische Besonderheit der Region.
Nach der Stilllegung der Herforder Kleinbahn gelangte die Köf II zur Firma SULO, wo sie bis 2003 als Werkslok in Herford und Fulda diente. Heute genießt sie ihren Ruhestand im Kleinbahnmuseum. Doch auch nach fast 80 Jahren ist die Lokomotive weiterhin voll funktionsfähig und wird zu besonderen Anlässen aus dem Museum geholt und in Betrieb gezeigt.
Wegempfehlung
Auf der rund 11 km langen Route 11 (Enger Bruch und Sattelmeierhöfe) kann man entlang der historischen Trassen der Herforder Kleinbahn wandern und entdeckt alte Bahnrelikte und die Landschaften, die einst von dampfenden und elektrischen Zügen durchquert wurden. Auch die Route 18 (Füllenbruch) führt zu spannenden Streckenabschnitten. Wer mehr über die Kleinbahn erfahren möchte, kann das Kleinbahnmuseum Enger besuchen: Kleinbahnmuseum Enger.
Ein schöner Ausflug für Technikbegeisterte, Geschichtsinteressierte und alle, die Kultur und Natur verbinden möchten.
Copyright historische Fotos: Kommunalarchiv Herford
Unser Tipp
Natur braucht Rücksicht. Bleiben Sie bitte auf den Wegen, bringen Sie ein Fernglas mit – und genießen Sie die Schönheit dieser Landschaften ganz bewusst von dort aus.